Schöner leben ohne Mittelalter:
Die beiden miteinander verheirateten (dt.: verpartnerten) katholischen Priester Norbert Reicherts und Christoph Schmidt luden zu einem ökumenischen Gottestdienst und Abendmahl ein, am Mittwoch den 21.09.2011 um 19 Uhr in die evangelische Thomaskirche am Bethaniendamm. Die Kirche wurde dankenswerterweise von dem ökumenisch denkenden, evangelischen Superindententen Bertold Höcker zur Verfügung gestellt.
Die wütenden Reaktionen des neuen Hauptstadt-Bischofs Rainer Maria Woelki ließen nicht lange auf sicht warten: in einem Brief an die beiden Priester verbot Woelki den Gottestdienst regelrecht, wie die Berliner Zeitung berichtete. Der Berliner Bischof wörtlich: ,,Der Erzbischof von Paderborn hat Sie … vom priesterlichen Dienst suspendiert und Ihnen mitgeteilt, dass Sie keine priesterliche Funktion mehr ausüben dürfen.” Bischof Woelki weiter: ,,eine Zuwiderhandlung wäre ein schwerwiegender Angriff gegen die Einheit der Kirche”. L’église, c’est moi!
Katholische Priester dürfen nach multimedial verbreiteter Einschätzung der römischen Kurie – welche über Berlusconi und die von diesem gewährten Privilegien öffentlich lautstark schweigt oder hinter beringter Hand vorgehalten flüstert – und ihrer Vertreter in Deutschland das Abendmal bigotterweise nicht an Homosexuelle, Paare ohne Trauschein, wiederverheirat Geschiedene und (Jesses!) evangelische Christen austeilen. Die beiden schwulen Priester hatten sich der Kirchenhierarchie in Paderborn (Bischof: (Erzbischof: Hans-Josef Becker) bzw. Essen (Militärbischof Franz-Josef Overbeck) offenbart und müssen seitdem von anderen Einkünften leben.
Allerdings läßt – auch nach katholischem Selbstverständnis – gemäß Canonregel 290 des Codex Iuris Canonici selbst die Suspendierung oder sogar der Verlust des klerikalen Standes („Laisierung“) die Priesterweihe unberührt: „Die einmal gültig empfangene heilige Weihe wird niemals ungültig“, weswegen alle von den Priestern Reicherts und Schmidt gespendeten Sakramente wie Eheschließung, Taufe, Firmung und Mess-Eucharistie, neben Krankensalbung und Beicht- und Bußsakrament auch nach der Suspendierung voll gültig bleiben und auch weiterhin vollzogen werden können: offiziell verboten aber gültig.
Vor wenigen Monaten hatte der Bischof von Köln, Papstfreund und Strippenzieher Joachim Meisner dem prominenten Thomaner Dr. David Berger das Recht entzogen, Religion zu unterrichten, weil sich dieser als Schwuler geoutet hatte. Auch den beiden schwulen Priestern hatte Meisner mit seinem Augenbalken gewunken, als sie noch in Köln lebten. Berger hatte die bigotten Machenschaften reaktionärer Gruppen (z.B. zum Thema Gustav-Siewerth-Akademie, Marcial Maciel und Kurt Krenn) innerhalb der katholischen Kirche aus einer Innenperspektive in seinem Buch Der heilige Schein aufs Korn genommen:
- in den Schoß der Kirche zurückgekehrte bischöfliche Holocaustleugner,
- milliardenschwere Zölibats-Dogmatiker mit leiblichen und geistlichen Kindern auf verschiedenen Kontinenten (bald auch in Neuötting),
- so genannte Neukatechumenale (gegen die Ortskirche gerichtetes selbstreferentielles Pseudo-Elitebewusstsein),
- Francisco Franco-Gewächse wie die krakenhafte (mit Protuberanzen auch in Potsdam) autologisch-selbstreferentielle Organisation Opus-Dei,
- Legionäre Christi mit ihrer römischen Exorzisten-Pseudo-Universität Athenaeum Regina Apostolorum, Jesus würde sich im Grabe umdrehen,
- Pius-Petrus-und-Le-Pen-Brüder und andere Vulgärtraditionalisten und Klerikalfaschisten
feiern unter dem deutschen Papst Urstände, während Befreiungstheologen (besonders in Süd- und Mittelamerika) und progressive Kräfte in der katholischen Kirche mit Verboten und Maulkörben überhäuft und ausgegrenzt werden. Pallium stülpende Pinochetkumpels auf der Benediktionsloggia.
Unter dem deutschen Papst steuert die volksfromme Kirche des Johannes XXIII. in Richtung eines doktrinär-zentralistischen Vereins von reichen Reaktionären, die in einer hungernden Welt über ihre nicht legitimierten Privilegien wachen und im Bundestag wohlfeil Augustinus und Kelsen zitieren: kostet nix. Wie war das nochmal mit der Banalität des Bösen? Göttliches Naturrecht?
Der neue Berliner Bischof Woelki hatte im Windschatten des Kölner (ehemals Berliner) Bischofs Meisner Karriere gemacht und war kürzlich auf dem kurzen Dienstweg ebenfalls zum Erzbischof ausgerechnet der Toleranz-Hauptstadt-Berlin ernannt worden. Vor wenigen Jahren waren die Schulden des Bistums Berlins aus der Portokasse westdeutscher millionenschwerer Bistümer – darunter Köln als zweitreichster Kirchenprovinz weltweit – bezahlt worden.
Mehr Infos über die Zustände innerhalb der katholischen Kirche am Vorabend des ersten Staatsbesuchs des deutschen Papstes in Deutschland im Artikel der Berliner Zeitung von Joachim Frank:
Was: ökumenischer Gottestdienst
Wann: Mittwoch, 21. September 2011, 19:00 Uhr
Wo: St.-Thomas-Kirche am Bethaniendamm
Wer: die katholischen Priester Reicherts und Schmidt
Man darf gespannt sein, wie die Geschichte weiter geht. Wir werden berichten.