Der Feind heißt CDU – Wider die Gewöhnung an die reaktionäre Folklore der Konservativen

Wer es bislang nicht glauben mochte, hat es heute nochmals, quasi amtlich bekommen: Die Bundesregierung denkt nicht im Entferntesten daran, homosexuelle Lebenspartnerschaften steuerlich mit Hetero-Paaren gleichzustellen. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte, man werde der Forderung des Bundesrates, mit dem Jahressteuergesetz 2013 das Ehegattensplitting auch Homo-Paaren zu gewähren, nicht nachkommen. Man will auf ein Urteil des Verfassungsgerichtes in dieser Sache warten, das für nächstes Jahr angekündigt ist.
In seiner Reaktion wettert Volker Beck sogleich gegen die FDP. Sie sei eingeknickt, heißt es bereits in der Überschrift einer Mitteilung. “Vor der Sommerpause hatte die FDP angekündigt, mit dem Jahressteuergesetz 2013 komme die steuerrechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft. Rösler hat mal wieder nicht geliefert. Schäuble macht, was er will, und die FDP lässt es mit sich machen.”
Soweit Beck und soweit völlig richtig. Allerdings verschleiert das berechtige FDP-Bashing zugleich, wer der wahre Feind ist: die CDU. Bis heute darf die bigotte rechtsnationale Schar der Partei im besten Fall dummes, in der Regel aber diskriminierendes Zeug gegen Homosexuelle daherlabern. Aber was als Einzelmeinung daherkommt, lenkt von der Wahrheit ab: Seit die CDU existiert, hat sie als Partei Homosexuelle drangsaliert und zu ihren schlimmsten Zeiten – für die “Wertkonservativen” sind es vermutlich die besten Zeiten gewesen – kriminalisiert und denunziert.
Noch niemals hat die CDU von sich aus in irgendeiner Form die Lage von Schwulen und Lesben verbessert – nur wenn sie in Regierungskoalitionen war, hat sie auf Veranlassung des Koalitionspartners möglichen Verbesserungen zugestimmt.
Mit Rücksicht auf religiöse Fundamentalisten in der Partei traut sich die CDU zu Verbesserungen der Situation von Schwulen und Lesben ansonsten nur, wenn sie von einem Gericht dazu gezwungen wird, oder man ein Gesetz heimlich, verborgen in einem großen Paket anderer Regelungen– wie etwa den §175 1994 in West-Deutschland – entsorgen kann:
Dass es mit Angela Merkel keine Ehe (und auch kein Lebenspartnerschaftsgesetz) für Homosexuelle gibt, wissen wir seit vielen, vielen Jahren – trügt mich meine Erinnerung, oder hat sie nicht, als sie erstmals Kanzlerkandidatin war, sogar die Schwulen der Union besucht, um dann tags darauf zu sagen, wie nett es war, sie aber gegen die Homo-Ehe ist? Besser hätte sie ihre Geringschätzung gar nicht ausdrücken können. Hat also wirklich jemand geglaubt, diese Frau würde einer steuerlichen Gleichstellung einfach so zustimmen? Warum sollte sie? Sie hat noch niemals eine – und sei es symbolisch – Geste in Richtung von Homosexuellen gemacht. Sie hält sich (politisch gesprochen) fern von Schwulen und Lesben – sie ist die Kanzlerin aller Deutschen, aber nicht der homosexuellen Deutschen. Sie schweigt, während andere für sie offen gegen Homosexuelle hetzen oder gegen Rechte, die Schwulen und Lesben aufgrund der Verfassung zustehen, agieren. Einer ihrer derzeitigen Handlanger ist Finanzminister Wolfgang Schäuble. Wenn er mit Verweis auf das Gerichtsurteil taktiert, so tut dies der Mann, der in seiner Zeit als Innenminister nur darauf gewartet hat, bis die Asylantenheime abgefackelt wurden, um im Windschatten rechtsradikaler Hetze die Asylgesetze zu verschärfen.
Schwule und Lesben sind so daran gewöhnt, von der CDU nichts zu bekommen und permanent zu Unterklassemenschen degradiert zu werden, dass es uns gar nicht mehr als etwas besonders Negatives auffällt.
Zurecht wird die FDP dafür kritisiert, dass sie vollmundig Gleichstellung rausposaunt, aber dann immer wieder klein beigibt – immerhin hat sie das Argument der Koalitionsdisziplin auf ihrer Seite. Stimmte sie gegen die CDU, dann wäre das zwar die steuerliche Gleichstellung, aber auch das Ende der Regierung. Die CDU hat keine solch formale Ausrede für ihre Politik – wozu auch? Sie war schon immer eine durch und durch homofeindliche Partei und hat auch nicht vor, dies zu ändern. Statt also alle Energien auf die FDP zu verwenden, wäre es angebracht, deutlicher als bislang die CDU öffentlich zu kritisieren und als das zu benennen, was sie ist: die politische Partei Deutschlands, die Schwulen und Lesben seit Jahrzehnten ununterbrochen das Leben schwer macht. Einst, indem CDU-Regierungen in den Ländern Polizei gegen Homosexuelle hetzten, heute, indem man Schikane und öffentliche Denunziation betreibt – vielleicht weniger aus wirklichem Homo-Hass, denn aus Hoffnung, bei der nächsten Wahl auch von rechtsextremen Verfassungsfeinden noch ein paar Stimmen zu bekommen.
Ist das nicht ungerecht gegenüber der CDU? Steht nicht heutzutage auch mal in einem Papier der Union, bevor es von der Wirklichkeit überholt wird, dass auch gleichgeschlechtliche „Lebensformen“ (also Aliens) respektiert werden müssen? Das mag natürlich für die CDU ein großer Schritt sein, für die betroffene Minderheit allerdings ein sehr kleiner. Diese „Akzeptanz“ als Fortschritt der CDU zu feiern, ist hanebüchen – denn dass man andere Menschen nicht totschlägt, steht in der Verfassung und sogar in den 10 Geboten der Bibel. Bei der CDU ist man aber schon froh, wenn sie sich gelegentlich mal an eines der beiden Regelwerke hält. Wo also ist der Fortschritt? Dass sie sogar schon schwule Minister und Bundestagsabgeordnete hat, die es öffentlich „bekennen“ dürfen? Es ist eine traurige Tatsache, dass man mit dem Gen für die konservative Politik wohl auch das der Feigheit bekommen hat. Der Verband der Schwulen in der Union (LSU) ist davon das Abbild: Statt mal auf den Putz zu hauen und Merkel offen zu attackieren, sucht man „das persönliche Gespräch“ und hofft, beim Glas Schampus im Hinterzimmer ein bisschen was bewegen zu können – bevor man dann öffentlich wieder ins Gesicht gespuckt wird. Der LSU wie die diversen gutmeinenden CDU-PolitikerInnen werden systematisch benützt, um eine angebliche Homo-Freundlichkeit der Partei zu beweisen – sie sind Feigenblätter einer Partei, die an ihrer grundlegenden Feindlichkeit gegenüber Homosexuellen wie allen “Anderen” festhält bzw. mit diesem “Pfund” weiter taktieren will.
Bleibt die Forderung der 13 CDU-Abgeordneten nach einem Zugehen ihrer Partei auf Schwule und Lesben (auch in Hinsicht auf diese Gruppe als großstädtisches Wählerklientel). Ihr Papier hat die derzeitige Debatte um das Ehegattensplitting maßgeblich ausgelöst. Aber es ist eine Perle vor den Widerstand der reaktionären Mehrheit in der CDU – in ihrer Solidarität mit Homos werden die 13 Abgeordneten das Schicksal aller Homosexuellen teilen: Von einer völlig abgedrifteten Kanzlerin verachtet zu werden. Ihre Partei hat sich noch niemals für die Gleichheit der Menschen stark gemacht: weder in einem menschenrechtlichen noch in einem sozialen Sinne. Und so haben sich Schwule und Lesben daran gewöhnt, unter Merkel – ebenso wie unter Kohl – eine der Gruppen der Gesellschaft zu sein, die als zweitklassige Menschen behandelt und als Hetz-Material zur Befriedung parteiinterner Konflikte gebraucht werden.
Die FDP mag eine große Verhinderin weiterer Fortschritte bei der Gleichstellung sein, sie tut es wider besseren Wissens! In der CDU ist dieses Wissen bis heute noch nicht einmal angekommen.
Der LSVD sagt es angenehm deutlich in seiner Stellungnahme zum heutigen Kabinettsbeschluss: “Was auch immer einzelne Politiker und Politikerinnen aus der Koalition noch versprechen mögen, es ist deutlich: Diese Regierung ist nicht fähig und nicht willens auch nur einen kleinen weiteren Schritt in Richtung Gleichstellung zu gehen.”
Die CDU war es noch nie und wird es wohl auch in den nächsten Jahren nicht sein. Von der FDP mag man enttäuscht sein, man sollte aber darüber die maßgebliche Ursache der andauernden Diskriminierung nicht vergessen: Das Weltbild und die Politik der CDU, die sich das Ressentiment gegen Homosexuelle als reaktionäre Folklore bewahrt. Daran wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern.

© Rainer Hörmann / September 2012

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